AZ 20050331.Bender, BS01/31

1. März

Die Stille ist so groß. Sie breitet sich aus. Wie dieser Atompilz auf den Bildern von Hiroshima. Der Bombentrichter ist in dem Hörer, den ich noch in der Hand hab. Die 27 Löcher da oben, diese schwarzen Punkte, sie sind Krater, in denen die Vergangenheit versickert und aus denen eine neue, unerwartete Zukunft empor kriecht.

Der Hörer liegt jetzt auf der Glasplatte von Muttis Telefontischchen. Er liegt auf dem Rücken wie ein Käfer und strampelt, schaukelt, wackelt, bis er zur Ruhe kommt, noch einmal zuckt, als die Spiral, die das Ding mit dem Telefon verbindet, sich verdreht. Das Plastik auf dem Glas müsste ein Geräusch machen.
Aber da ist keines. Die Stille ist überall.

Sie erreicht dann meine Brust, zerreißt mein Herz, lässt es explodieren wie einen Pudel in der Mikrowelle. Der Druck ist einfach zu groß. Nicht nur im Herz, auch mein Magen füllt sich mit diesem Gas der Stille. Platzt.

Dann ist der Pilz der Stillebombe so groß, dass er mich ganz umhüllt, meine Trommelfelle platzen, ich werde nie wieder etwas hören. Und meine Augäpfel öffnen sich, zerrinnen über mein Gesicht.

Schwarz sind die Spuren meiner Tränen
Berühre meine Wangen nicht
Berühr mich nicht
Spür nicht die Asche meiner Augen
Die Asche meiner Jugend
Die meine Wangen netzt.

Dann merke ich, dass es gar nicht still ist. Es ist eigentlich viel zu laut, um etwas zu hören. Es ist das Echo von Muttis Worten, das durch meinen Kopf dröhnt und jedes andere Geräusch frisst.
"Herzinfarkt. Herzinfarkt. Herz. Herz. Infarkt. Papa. Herz. Infarkt. Kritisch. Kritisch. Herzinfarkt."

Ich heule, ich heule wie ein Baby.

Meine Güte, ist das schön!

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